Autorin: Christina Roters
In einer Zeit zu der das Reisen nicht unbeschwert möglich ist, bietet es sich an, Erinnerungen zu wecken:
1995 machte sich eine kleine Gruppe von neun Welsh Enthusiasten auf, um die Heimat ihrer Ponyrasse zu erkunden und die große Herbstauktion der Welsh Society zu besuchen.
Wir hatten insgesamt eine Woche Zeit, Hin-und Rückfahrt eingeschlossen. Somit war das zügige Grundtempo für Fahrt, Gestütsbesichtigungen und andere Sehenswürdigkeiten vorab festgelegt.
Wir starten in Heilshoop bei Familie Bödecker.
Für Bernd Boedecker ist dies bereits der 20. Besuch in Wales und er bietet sich somit uneingeschränkt als kundiger Reiseführer an.
Über Holland und Belgien geht es nach Calais und mit der Fähre nach Dover.
Eine kurze Stippvisite im New Forest, wo wir bei einem raschen Picknick eine kleine Gruppe halb wild lebender Ponys entdecken, schon geht es weiter in Richtung Westen.
„Croeso i Cymru“, willkommen in Wales begrüßt uns ein eher unscheinbares Schild auf der anderen Seite der Severn Bridge. Nach über 1000 km rasanter Autofahrt sind wir ziemlich steif und müde am Ziel in dem Land, where the streets often have no name.
Mehrere Gestütsbesuche stehen auf unserem Plan, so besuchen wir Downland Stud von Mrs. Cuff (1910-2008), die legendäre Welsh B Zucht. Von ihrer Helferin Phoebe werden wir herumgeführt. Beide, nun inzwischen verstorbene Damen, sind damals über 80 Jahre alt, aber sehr rüstig und sie glühen für ihre Ponys. Der Dunkelfuchs Downland Krugerrand residiert im Innenhof der alten Schlossruine und strahlt auch im fortgeschrittenen Alter Würde aus.
Peter Jones, Menai Stud führt uns in seinem Geländewagen über die weitläufigen Koppeln seines Gestüts und präsentiert beeindruckende Herden. Aber auch auf etwas kleineren, vielleicht nicht so bekannten Gestüten werden wir herzlich empfangen. Alle sind so kurz vor der Auktion auf Besuch aus dem Ausland eingestellt und für die obligatorische Cup of Tea ist überall Zeit. Wales ist kein reiches Land und auf mancher Farm hofft man auf ein kleines Zubrot durch die Ponys. Wir sehen einen ganzen Trupp Jungpferde, die in einer Scheune frei laufen, aber lange Stricke am Halfter tragen – Kurzzähmung für die Auktion.
Aber auch eindrucksvoll professionelle Besichtigungen werden uns geboten.
Einen Tag vor der Auktion besuchen wir Synod Stud von Doreen und Cerdin Jones. Cerdin hat noch keine Zeit, er muss zusammen mit einem jungen Helfer aus Holland noch einen Bock aus der Schafherde nehmen, die schon auf der Hauskoppel steht. Wir sind gespannt, wie das zu zweit gehen soll. Cerdin ruft zwei Border Collies, die ganz souverän und ohne sonderlich Hektik unter den Schafen zu verbreiten, anfangen zu arbeiten. Verschiedene Pfiffe lassen sie 5 Schafe nebst Bock in einem kleineren Pferch separieren, dann werden die Schafe hinaus gelassen und der Bock steht allein im Pferch.
Nun ist Zeit, auch Cerdins Frau Doreen zu begrüßen, die zusammen mit einer Helferin die Pferde für die Auktion wäscht. Alle anderen Tiere sind draußen, aber, no problem, wir sollen nur Cerdins Wagen folgen. So stehen wir wenig später auf einer von hohen Hecken umsäumten Koppel und sehen...nichts. Cerdin lächelt freundlich und sagt...nichts.
Plötzlich erscheint weit, weit hinten, zwischen den grünen Büschen ein Fuchshengst in gespannter Aufmerksamkeit. Vorsichtig witternd kommt er näher und beginnt dann imponierend zu traben, immer um uns herum, so dass wir ihn von allen Seiten betrachten können. Was für ein Schauspiel.
Es ist Synod Rambo. Später wird er einmal zum Spitzenpreis von 10.000,- Guineas als teuerster Cob auf einer Auktion verkauft werden. Und er wird Siegerhengst auf der Royal Welsh Show werden. Aber das weiß 1995 noch niemand und wir können ihn ganz unvoreingenommen auf uns wirken lassen.
Schließlich trabt er stolz davon. Cerdin schaut ihm nach und meint schelmisch lächelnd, wait and see! Wieder erscheint ein Pferd in weiter Ferne, nähert sich vorsichtig, aber diesmal folgt eine ganze Herde. Die Zuchtstuten des Synod Stud nebst ihren Fohlen geben sich die Ehre. Sie traben nun, bewacht von Synod Rambo, um uns herum und präsentieren uns das Ergebnis jahrzehntelanger Zuchtarbeit. .Nach einigen Runden verschwinden die Pferde hinter den Hecken und die Show ist vorbei. Jemand fragt, wie man den Pferden solch einen Auftritt wohl beibringt. Der holländische Helfer meint verschmitzt:“Cerdin erwartet das von seinen Hengsten“.
Am nächsten Tag beginnt die Auktion in Builth Wells. An die 1000 Welsh C, D und einige Partbreds kommen zur Versteigerung. Cobs, die später zu Ruhm unterschiedlichster Art gelangen sehen wir hier, ohne vom späteren Erfolg zu ahnen.
Schon ist die Zeit vorüber und nach insgesamt über 3000 rasant gefahrenen Kilometern sind wir wieder zu hause.
Diese Reise nach Wales ist nun schon 25 Jahre her und Vieles verschwimmt etwas in der Erinnerung, aber der Tanz des Synod Rambo ist für mich bis heute lebendig geblieben. Ein großes Dankeschön geht an Bernd und Agnes Bödecker für die kundige, fröhliche Reiseführung und die vielen bleibenden Eindrücke.
08.05.2020 Christina Roters