Autorin: Katharina von Borck
Als Züchtergeschichte eignet es sich diese Geschichte nicht, denn von Kría gibt es keine Nachkommen, sie selbst ist auch das einzige Fohlen ihrer Mutter gewesen.
Aber was Kría sicher ist, ist ein Pferd, über das man schreiben muss. In Schleswig-Holstein im Peerstall in Appen-Etz geboren, ist es doch wieder ein bisschen Geschichte der Pferdezucht im Land zwischen den Meeren.
Geboren wurde Kría am 6. April 1990 und dürfte ein letzter lebender Nachkommen von Blöndal fra Stafholti sein. Ihre Mutter war eine deutschgezogene Islandstute namens Gletta. Kría war bereits als Fohlen auffällig groß im Vergleich zu den Altersgenossen. Und jahrelang bin ich auf ihre Größe angesprochen worden, die nunmehr als normal gilt.
Was Kría tatsächlich auszeichnete war keineswegs die Größe oder eine außergewöhnliche Gangveranlagung, sondern vielmehr der außergewöhnliche Charakter und die Vielseitigkeit.
Grundsätzlich war Kría zur Stelle, ohne überschäumendes Temperament, wenn sie gebraucht wurde, so wurde sie in ihrer Zeit als Schulpferd zum Behindertenreiten eingesetzt, sprang über Hindernisse, absolvierte Geschicklichkeitsparcours, führte Quadrillen an, schwamm mit mir im Meer, Flüssen und Seen, zog Schlitten und Sulkys, nahm am Ringreiten teil, war in großen Gruppen im Gelände stets bei ihrem Reiter und arbeitete auch im Viereck gut mit.
Arbeit, das war es für sie, wenn sie tölten oder sich versammeln sollte und wollte. Sie hat sich stets bemüht die Übungen so gut wie möglich auszuführen, ihr Gebäude war stets ein Hindernis, sie wirkte nie wie ein Tänzer, immer wie ein Arbeiter, aber das war uns gleich. Denn ich wusste stets was ich an ihr hatte, auch wenn ich oft belächelt wurden bin.
Das Lächeln was Kría mir, aber auch insbesondere Kindern und erwachsenen Menschen, die zuvor stets Angst vor Pferden hatten, in die Augen gezaubert hat, das ist Bestätigung genug. Kría ist unglaublich empathisch und vorsichtig im Umgang mit Menschen, sie erkennt die Stimmungen und kommt dann auch schon mal zum Kuscheln, wenn sie denkt, jemand benötigt eine weiche Pferdenase.
Sie liebt Kinder und genießt es sichtlich, wenn sie Zeit mit ihnen verbringen kann. So haben die kleinen Söhne einer Freundin oft zu zweit auf ihr gesessen, Kría geführt, Hufe mehrfach ausgekratzt und Abenteuerritte durch den Wald unternommen. Krías kleine Freunde sind zwischenzeitlich älter geworden, aber der Eimer für Kría wird bei einem Besuch im Stall immer noch gut gefüllt.
Kría war stets souverän, was dazu führte, dass sie oft als Begleitpferd für Jungpferde oder als Führpferd zum Handpferdereiten im Gelände und auf der Bahn unterwegs war. Ob man mit einem oder zwei Handpferden ritt, das war und ist bis heute unerheblich, Kría genießt die Signalreitweise, die beim Handpferdereiten auch meine bevorzugte Reitweise ist.
Hier muss auch erwähnt werden, dass Kría ausgesprochen ökonomisch ist, hinter allem was sie tut, liegt eine Kosten- und Nutzenanalyse, sodass man zwar beim Galopprennen gewinnen könnte, aber nie unaufgefordert schneller als gewünscht galoppieren wird und auch innerhalb von wenigen Galoppsprüngen zum Stand durchparieren kann.
Ihre Professur in Aufgabenökonomie des Pferdes macht sie zu einem zuverlässigen Begleiter für Prüfungen, denn mehr als gewünscht macht sie nicht, auch wenn sie schlau genug für Variationen ist, so wird sie diese nicht anbieten, weil sie weiß worum es geht (und dass es nach erfüllter Aufgabe schneller vorbei ist). Nach Möglichkeit studiert Kría die Aufgaben ein, hört genau zu, wenn die Stimmen vom Rand die Aufgaben zurufen und führt diese gern aus.
Viele Teilnehmer verdanken Sachkundenachweise, Longierabzeichen und Reitabzeichen bis hin zu Teilaufgaben im goldenen Reitabzeichen und in Trainerkursen Kría . Auch dieses Jahr noch hat Kría die Möglichkeit zur Teilnahme am Sachkundekurs genutzt und mit 30 Jahren zeigte sie, was noch alles geht.
Ihre Ruhestandsparty ist Corona bedingt ausgefallen, es wäre eine Überraschungsparty gewesen. Kría wollte nicht einladen und möchte weiterhin am liebsten täglich ihre Ansprache und Aufgaben haben. So genießt weiterhin Kinderbesuche, kleine Runde ums Feld, Ausritte als Hand- oder Führpferd und Spaziergänge mit dem Hund.
Mir geht jedes Mal das Herz auf, wenn Kría auf ein Rufen hin sich auf den Weg zum Tor macht, manchmal brummelend im Schritt, manches Mal aber auch im Trab und Galopp. Dankbar für jede gemeinsame Minute mit diesem außergewöhnlichen Pferd, freue ich mich sehr auf die nächsten schönen Momente.
05.07.2020 Katharina von Borck