Autorin: Bente Isenberg
...Kinder – Kirche – Kaltblüter auf Kamp
Oder einfach „Wie alles begann“
Neun Kinder durften ihre Kindheit auf dem Gutshof Kamp, das im Kreis Segeberg liegt, erleben.
Darunter befand sich auch mein späterer Mann Thomas
Erika und Jürgen Isenberg hießen die stolzen Eltern, meine Schwiegereltern.
Nun fragt man sich in der heutigen Zeit, sind denn alle Kinder von den gleichen Eltern?
Ja, damals war das so!
Hinzu kam natürlich die Abgeschiedenheit des Hofes, Motorisierung war gleich null, der Fernseher hielt auf Kamp erst sehr spät Einzug, die Abende waren lang, die Einstellung meiner christlich geprägten Schwiegermutter begünstigte den Kinderreichtum, denn sie nahm die Bibel wörtlich und den Satz aus 1. Mose 9 Vers 7, der da lautet: „seid fruchtbar und mehret euch“ wurde in die Tat umgesetzt. So soll es sein!
Die Geschichte mit den vielen Kindern hätten wir also geklärt, kommen wir also nun zu den Kaltblütern, wie kamen sie auf den Hof nach Kamp.
Erklärung folgt!
Mein Schwiegervater Jürgen Isenberg wurde im April 1942 zur bespannten Artillerie eingezogen.
Im August 1942 kam er dann, 18 jährig als „ junger Ersatz“ nach Rußland zur 290. Infanterie-Division.
Nicht nur die Männer mußten Kriegsdienste leisten, auch die Pferde wurden im Krieg gebraucht. Und von den Höfen eingezogen. Bereit gegen den Feind und für das Vaterland zu kämpfen.
Mein Schwiegervater bekam zwei Schleswiger Wallache , mit den Namen Max und Racker , zugeteilt.
Es wurde Mensch und Tier viel abverlangt, die Winter in Rußland waren hart und kalt.
Viele Nächte mußten die Soldaten im Schnee bei den Pferden verbringen. Futter und Lebensmittel kamen per Luftweg, oft blieb aber auch der Nachschub aus. Dann wurde für die Pferde Strohdächer abgedeckt und Fichtengrün aus dem Wald geholt.
Überwiegend mußte mit den Pferden Munition gefahren oder zwischendurch festgefahrene LKW’s aus dem Schlamm gezogen werden.
Mein Schwiegervater stellte fest, dass von allen Pferden die Schleswiger das Klima, die Futternot und die Strapazen am besten durchgestanden haben.
Und so keimte die Liebe zu dem Schleswiger Kaltblutpferd in ihm auf und der Gedanke, wenn er den Krieg überleben würde, diese robuste, futterdankbare, charakterstarke und mit gutem Gangvermögen Rasse auf dem elterlichen Hof eine neue Heimat zu geben, denn auf Gut Kamp waren bis dato nur das schwere Warmblutpferd zu finden.
Mein Schwiegervater überlebte den Krieg.
Wer ihn noch kennen gelernt hat, weiß dass er eine Unterschenkelprothese tragen mußte.
Am 17. April 1945, also kurz vor Kriegsende, schossen russische Tiefflieger meinen Schwiegervater vom Pferd. Der Schuß traf den rechten Fuß.
Er wurde auf den Feldverbandsplatz gebracht, wo noch am selben Abend der rechte Unterschenkel amputiert wurde.
Für einen jungen Menschen, der noch viele Zukunftspläne hatte, brach eine Welt zusammen.
Gedanken wie, - was soll nun aus mir werden.
-
- Wie soll ich denn mit nur einem Bein den elterlichen Gutshof führen/übernehmen, geschweige denn überhaupt wieder richtig arbeiten können?
- Was wird aus Max und Racker, ich wollte sie doch mit nach Kamp nehmen. Die beiden waren ihm ans Herz gewachsen.
- Finde ich überhaupt so eine Frau?
Jürgen hatte viel Zeit zum Nachdenken und die mit der Amputation verbundenen Schmerzen und besonders die Verbandswechsel, was jedes Mal mit Schreien und Schmerzen verbunden war, ließen keine guten Gedanken hervor, auch das Elend und Leid der verletzten Kameraden war schwer zu ertragen.
Max und Racker hat er nicht wieder gesehen, nach der Kapitulation wurden sie noch eine Zeitlang von Kameraden auf einem Sammelplatz gefüttert und gepflegt, bis diese Kameraden ins Gefangenenlager gebracht wurden.
Jürgen kam nach Goldingen ins Lazarett, dort blieb er einige Tage.
Schließlich bekam der das ersehnte Schild „Heimat“ um den Hals gebunden. Zusammen mit vielen anderen verwundeten Kameraden ging es in Waggons nach Libau in einen mit Stroh ausgelegten Keller. Das Essen bestehend aus einer Scheibe Brot mit einer Art Kartoffelaufstrich.
Am 30. April ging es per Schiff in Richtung Dänemark weiter. Das Sterben an Bord war der tägliche Begleiter.
Am 3. Mai erreichten sie Fünen in Dänemark. Weiter ging es nach Herning – Jütland ins Lazarett.
Hier lag ein junger Mann neben meinen Schwiegervater, der auch ein Bein verloren hatte. Seine Fröhlichkeit und Lebenslust halfen Jürgen über vieles hinweg.
Es wurde schon bald wieder Blödsinn gemacht und zwar mit einem Bein von Bett zu Bett hüpfen und das Schäkern mit den Krankenschwestern ließen für einige Minuten den Krieg vergessen.
Das Leben kehrte langsam zurück und die Heimat war näher gerückt.
Die Fortsetzung folgt bald...
01.07.2020 Bente Isenberg
Hier einiges aus dem Pferdestammbuch Archiv, 2003 von Gerhard Gramann aufgeschrieben.