Ich bin Lehrerin an einer dänischen Schule in Niebüll. Am ersten Schultag dieses Jahres fehlte mir ein Buch und ich begab mich auf den Dachboden der Schule, um es zu suchen.
Auf einer Kiste gleich am Eingang der Leiter fand ich 3 Plakette vom Landesbreitensportturnier in Bad Segeberg. Warum die ausgerechnet auf dem Dachboden meiner Schule deponiert waren, bleibt mir ein Rätsel.
Erinnerungen wurden wach:
Im August 2006 waren wir zum ersten Mal zum Breitensportturnier in Bad Segeberg. Wir waren in einer Heuherberge untergebracht. Am Abend wurden wir gefragt, ob wir am darauffolgenden Abend an einer Quadrille mitmachen wollten. Es sollten 5 neue Autos von einem ausstellenden Autohändler und 5 Kaltblüter teilnehmen. Natürlich sind wir für solche Aktionen immer zu haben, nur leider hatten wir nur 2 Kaltblüter mit. Meine Freundin Birgit hatte zwei Kaltblüter, ich hatte 2, also fehlte noch einer.
In der Heuherberge übernachteten auch Britta und Ronald vom Wattreiterhof Pellworm, die eine Schleswiger Stute dabei hatten.
Also hatten wir schnell den fünften Reiter gefunden und die Quadrille konnte stattfinden. Was aus einer Schnapsidee entstand, sollte sich zu einer tollen Freundschaft entwickeln. Nach einmaligen Üben und diversen Schweißperlen auf der Stirn des Autobesitzers konnten wir eine nicht gerade professionelle Quadrille abliefern. Aber wir hatten eine Menge Spaß. Der Auto Händler hingegen hatte manchmal erhebliche Angst um sein Material…..
Alles ging gut und wir sind glücklich nach Hause gefahren.
2 Monate später brannte unser Hof ab und wir standen vor dem Nichts. Menschen und Tiere waren gerettet, aber alles war dem Feuer zum Opfer gefallen.
Weise Menschen sitzen nicht tatenlos da
und jammern über das Verlorene,
sondern bemühen sich heiter,
den Schaden wiedergutzumachen.
(William Shakesspeare)
Der Olenhof am Freitag den 13.10.2006. Eigentlich sind wir nicht abergläubisch... |
Nun hatten wir das enorme Glück, dass wir tolle Freunde und Nachbarn haben.
Zum Beispiel bekam unsere Tochter wöchentlichen Reitunterricht auf einem Hof in Rodenäs. Ihre Reitlehrerin Jennifer erwies sich als Retter in der Not und holte noch in der Brandnacht unsere Hunde ab. Sie brachte mir auch am darauffolgenden Tag Bekleidung von einer Bekannten von Sylt, die ihren Kleiderschrank aufgeräumt hatte. Ich hatte noch nie so vornehme Klamotten.
Jennifer brachte auch diverse Sättel, Zaumzeug, Halfter usw. Viele von diesen Dingen sind noch heute in Gebrauch. In der Zeitung die „Zeit“ von dieser Woche ist ein Bericht von einem Wanderritt mit meiner Vossi. Sie trägt das Zaumzeug von Jennifer, das sie uns geschenkt hatte in 2006.
Wie Vossi in "Die Zeit" kam, kann man u.a. auch hier nachlesen
Kurz nach dem Brand hatte der VSP einen Wanderritt in Dithmarschen. Da wir nicht die Typen von Trübsal blasen sind, sind wir dorthin gefahren. Ohne Kutsche und ohne Pferde, weil wir ja kein Geschirr mehr hatten, das war verbrannt. Ich hatte im Oktober im Bettenlager günstig Schlafsäcke kaufen können, da ja die Camping Saison vorbei war. Ein Pferd durfte ich ausleihen und konnte es mit meiner Bekleidung von Jennifer auch toll reiten: Mit hochhackigen Sylter styling Schuhen und Bundfaltenhose im Galopp mit einem Schleswiger durch die Lande ziehen – das war toll. Ich kann das Gefühl bis heute noch gut nachempfinden. Im Grunde war es ein ziemlich beklemmendes Gefühl; schließlich hatte ich ein etwas ungewohntes Outfit.
Britta und Ronald von Pellworm haben wir in dieser Zeit viel auf Pellworm besucht, damit wir mal was anderes als die Brandruine sehen konnten.
Der Aufbau des Hofes nahm dann über ein Jahr in Anspruch. Während dieser Zeit haben wir in Containern auf dem Gelände gewohnt. In der Maschinenhalle konnten die Pferde unterkommen, so dass wir den Bau beaufsichtigen konnten und auch die Pferde nicht umziehen brauchten.
Von überall bekamen wir Spenden: die Kinder bekamen von anderen Kindern Spielzeug und Bekleidung; in der Schule hatte ich eine Schülerin, die mehrmals mit einem gefüllten Koffer voller aussortierter Kleidung ihrer Mutter für mich kam und nächsten Tag brachte ich den leeren Koffer wieder in die Schule.
Auch bei den Pferden war es ein etwas anderes Jahr
Da eine Schleswiger Stute tragend war und wir damals keine Kamera im Stall hatten, habe ich die Maurer gebeten, mich anzurufen, falls sie zufällig beobachten, dass die Stute sich hinlegt und sehr schwitzt. Das hatte zur Folge, dass immer ein Maurer vom Bauleiter zur Aufsicht in die Halle beordert wurde. Immer wenn die Stute sich hinlegte, wurde ich ganz aufgeregt in der Schule angerufen. Dazu muss man auch noch erwähnen, dass ich kurz vor dem Termin die Nächte auf einem Feldbett in der Halle verbracht hatte. Ich brauchte mir keinen Wecker stellen, da die Bauarbeiter immer sehr früh auf der Baustelle waren und mich weckten. So konnte ich immer rechtzeitig in der Schule sein. Das Fohlen kam dann am Wochenende zur Welt und die Bauleute waren dann leider nicht zugegen. Die durften aber dafür einen Namen für das Fohlen finden. Sie nannten es „Brus“ (auf dänisch bedeutet es „sprudelnd“), weil sie fanden, dass unsere Baustelle irgendwie sowas in der Art war…
2007 war der Hof dann neu aufgebaut und als das erste Zimmer im Haus fertig war, sind wir mit 5 Personen auch in dieses eine Zimmer gezogen. Keiner entwickelte irgendeinen Ehrgeiz noch weiterhin in den feuchten Containern zu verbringen.
Alle diese Anekdoten kamen mir in den Sinn, als ich die Plakette vom Landesbreitensportturnier auf dem Dachboden fand. So viel Freundschaften und tolle Erinnerungen sind entstanden und selbst wenn die jetzige Corona Zeit für viele Menschen schwer ist, so hat doch jeder in seinem Leben bestimmt auch andere harte Zeiten erlebt. Und es gibt nach harten Zeiten auch immer wieder schöne, so dass wir uns hoffentlich in 2021 zum Landesbreitensportturnier und zum Fohlenchampionat in Bad Segeberg wiedersehen können.
Bleibt gesund.
13.08.2020 Bente Lück vom Olenhof
Bereits am 20. März gönnte uns Bente Lück als eine der ersten auf der Geschichtenseite einen Blick auf den Olenhof